Sonntag, 29.08.2004

 

Wenigstens schien die Sonne. Ab und an. Indem wir gegenseitig auf das aufstehen des Anderen warteten, verging die Zeit wie im Fluge und plötzlich standen alle zur selben Zeit vor der Badtür. Das heißt, ich war drin, die anderen wollten hinein.

Das Frühstück fand am späten Vormittag statt, was uns aber nicht daran hinderte, eine kurze Zeit später das Mittagessen einzunehmen.

Meinen sonntäglichen Frühstückszusammenbruch konnte ich mit knapper Not vermeiden. Thomas stichelte wieder herum und ich quäle mich dann immer mit  großem Selbstmitleid herum.

Krank war ich noch immer, wenn auch in abgeschwächter Form. Nicht zu krank zum Essen kochen. Dazu ist eine Mutter wohl selten zu krank – und wenn man ihr das Bett an den Herd schleppen müsste.

Wenigstens bemerkte Johannes, dass es besser wäre, ich würde das Fleisch nicht berühren beim Zerschneiden, dazu wäre ich zu krank. Zum Kochen nicht, aber zum Schneiden. Immerhin schmeckte es ihnen, was auch nicht zwangsläufig der Fall ist und sie haben gar nicht bemerkt, dass ich den Kefir von zwei Ansätzen in die Soße geschmuggelt hatte. Ich will ja, dass meine Familie gesunde Nahrungsmittel zu sich nimmt, nur sie wollen es nicht. Besonders, wenn sie es sehen.

Aufgrund einer Flasche Wein, die Thomas zum Essen geöffnet hatte und aufgrund von Formel 1 lehnte er die Teilnahme am Sonntagsspaziergang ab.  Ich beschwor ihn noch einige Male, mitzukommen und warf ihm Alkoholismus vor, aber alles lies ihn kalt und er beharrte stur bei seiner Meinung. Daraufhin machte ich mich alleine auf den Weg. Die Sonne schien, ich nahm einen Brief der sowieso in den Kasten musste in die eine Hand, meine Jacke in die andere und steckte das Handy in die Hosentasche. Unterwegs grübelte ich, ob ich meinem langjährigen Freund Ben Bescheid geben solle, dass ich gerade ganz alleine auf Tour bin und ob er mir nicht Gesellschaft leisten wolle, oder ob das Verrat an meinem alkoholsüchtigen Mann sei, oder ob das gemein sei, Ben als Lückenbüßer zu benutzen. Ich rief ihn dann schließlich an und wir trafen uns unterwegs auf dem Weg zum Park. Er kam mit dem Rad, so konnte es wie zufällig aussehen. Ben ist fast immer für mich da. Das macht mir einerseits ein schlechtes Gewissen, andererseits ist es immer wieder schön zu wissen, dass es ihn gibt. Wir fanden eine Bank mitten im dichtesten Strom der sonntäglichen Lustwandler. An einem Teich mit Schwänen darauf und  Enten. Mit seinem neuen Handy knipste er ein Bild von den Schwänen, das er mir später mailen wollte.

Eine Punkerin mit einer großen, dunkelbraunen Hündin die sie natürlich nicht an der Leine hatte – Punker haben so etwas ja nun nicht nötig! – schickte das Tier ins Wasser, indem sie Stöckchen rein warf. Instinktgemäß suchte sich der Hund eine begehbare Uferstelle und sprang dem Ast hinterher. Beim Herauskriechen aus dem Wasser rutschte er immer wieder ab. Wenn mich jemand zu so einer Blamage gezwungen hätte … ich weiß nicht, was ich gemacht hätte. Aber so sind die Hunde – sie tun alles, um Herrchen oder Frauchen einen Gefallen zu tun. Schleimer.

Wenn Ben dabei ist, sollte ich vorsichtig sein mit negativen Äußerungen über Hunde. Er ist ein ausgesprochener Hundeliebhaber, seine Eltern haben einen, seine Oma hat einen und er wird später, denke ich, auch einen haben. Ich bin aber nicht vorsichtig, eher noch hundefeindlicher, als ohne Ben. Doch er verzeiht mir das. Das ist ja gerade das schöne an ihm, dass er so tolerant ist. Und das macht mich nun wieder ihm gegenüber friedfertig. Wenn man mal von der Sache mit den Hunden absieht. Er mag ja dafür Katzen nicht. Wir akzeptieren unsere gegenseitige Neckschwelle und übertrieben es nie. Oder selten. Man könnte sagen, dass wir uns respektieren. Und das ist etwas enorm schönes, so es denn gelingt.

Pünktlich zur Abendessenzeit traf ich wieder zu Hause ein. Thomas hatte sich währenddessen im Garten nützlich gemacht und den Wein nicht ausgetrunken – sein Glück!

Die auf das  Abendessen folgenden drei Stunden brachte ich mit Telefonaten herum.  Als erstes rief ich bei meiner Schwester an, danach bei unserer Tochter. Während ich mir deren neueste Erlebnisse und ihre Sorgen und Probleme anhörte, über meine konnte ich nicht so lustvoll herziehen, weil Thomas am anderen Ende des Zimmer vor dem Fernseher saß, leerte ich eine halbe Flasche Rotwein, Nun war ich also die Säuferin. Ich schlief meinen Minirausch an Thomas Brust aus, während die Abschlussfeier der Olympiade übertragen wurde und bevor wir ins Bett wankten.